>Schweizer Bundesrat Alain Berset empfängt Patriarchen Ignatius Ephrem II

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Treffen zwischen Bundesrat Alain Berset und dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Ignatius Ephrem II Karim

Am 2. Dezember empfängt Bundesrat Alain Berset Patriarch Ignatius Ephrem II Karim mit seiner Delegation im Haus von Wattenwyl zu Bern. Das Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche macht vom 29. November bis zum 3. Dezember einen Pastoralbesuch in der Schweiz.

Der Patriarch berichtet über die äusserst beunruhigende Lage der christlichen Minderheiten in Syrien, Irak und im Nahen Osten. Er bittet die Schweizer Behörden um ein stärkeres Engagement in der Region, in der seit fast vier Jahren Krieg herrscht. Das Treffen findet statt auf Anregung von Pfarrerin Rita Famos, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz AGCK.

Patriarch Ignatius Ephrem II Karim berichtet aus erster Hand über die Lage der christlichen Minderheiten in Syrien und im Nahen Osten. Seit vier Jahren herrscht ein Bürgerkrieg in Syrien, die eine der grössten Flüchtlingstragödien der Geschichte verursacht hat. Der nahende Winter und der Terror der IS-Miliz verschärft die Lage von Millionen Menschen. Frauen, Kinder und ältere Personen, die aus den umkämpften Gebieten geflüchtet sind, leben in Notunterkünften oder zerstörten Gebäuden. Ihnen fehlt das Nötigste. Alleine in Syrien sind mehr als zehn Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, drei Millionen Menschen leben in den Nachbarstaaten als Flüchtlinge. Christliche Minderheiten, aber auch muslimische Minderheiten werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bedroht.

Patriarch Ignatius Ephrem II Karim ist es gelungen, alle christlichen Konfessionen in der Region im Widerstand gegen die Unterdrückung zu vereinen. Die religiösen Minderheiten brauchen die Hilfe der Schweiz, die sich stets aktiv für die Menschenrechte einsetzt, sowie die Unterstützung der Kirchen über deren Hilfswerke.

Am Treffen zwischen dem Patriarchen und Bundesrat Berset sind ebenfalls anwesend: Mgr Isa Gürbüz, syrisch-orthodoxer Erzbischof für die Schweiz und Österreich, Pfarrerin Rita Famos, Präsidentin der AGCK und Ratsmitglied des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK, sowie Pfarrer Martin Hirzel, Beauftragter für Ökumene und Religionsgemeinschaften des SEK.

Am 7. September organisierte die AGCK in Bern einen Fürbittegottesdienst in Solidarität mit bedrohten Minderheiten in Syrien, Irak und im Nahen Osten. Über 700 Personen nahmen daran teil, darunter sehr viele orthodoxe Syrierinnen und Syrier aus der Schweiz und aus Süddeutschland. Der SEK, der zurzeit die AGCK präsidiert, steht ausserdem in regem Kontakt mit den Schweizer Bundesbehörden. Der SEK hat seiner Sorge um die christlichen Minderheiten in dieser Region der Welt mehrfach Ausdruck verliehen und den Bundesrat gebeten, sein Engagement dort zu verstärken.

Patriarch Ignatius Ephrem II Karim leitet die Geschicke der syrisch-orthodoxen Gemeinschaft. Er wohnt in Damaskus. Die christlichen Minderheiten möchten in ihrer Region bleiben, in der sie seit zwei Jahrtausenden leben. Die syrisch-orthodoxe Kirche ist die älteste christliche Kirche. Ihre Liturgiesprache ist nach wie vor Aramäisch, die Sprache Jesu, und ihre Mitglieder haben viel zur Erhaltung der christlichen Kultur im Nahen Osten beigetragen.

Quelle: http://www.agck.ch/de/home/298-treffen-zwischen-bundesrat-alain-berset-und-dem-syrisch-orthodoxen-patriarchen-ignatius-ephrem-ii-karim


Interessantes Interview mit Seiner Heiligkeit:

Neue Züricher Zeitung, Simon Hehli, Markus Häfliger vom 2.12.2014

Oberhaupt der Syrisch-Orthodoxen
«Die westlichen Regierungen sind gleichgültig»
Ignatius Ephrem II Karim, das weltweite Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, hat am Dienstag Bundesrat Berset in Bern getroffen. Im Interview fordert er eine Schutzzone für verfolgte Christen im Irak.
Bundesrat Alain Berset begrüssst Ignatius Ephrem II, Patriarch der Syrisch-Orthodoxen Kirche.
Bundesrat Alain Berset begrüssst Ignatius Ephrem II, Patriarch der Syrisch-Orthodoxen Kirche.
(Bild: PETER SCHNEIDER / Keystone)

Patriarch Ignatius, wie nehmen Sie die Situation der Christen im Irak und in Syrien wahr?

In Syrien sind viele Christen innerhalb des Landes geflohen oder in den Libanon, in die Türkei oder nach Europa ausgewandert. Im Nordirak sind die aramäisch sprechenden Christen in Mosul und in der Ninive-Ebene zwischen die Fronten der Kurden und der Araber geraten. Die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) haben mehr als 150‘000 Menschen aus diesem Gebiet vertrieben. Die Christen in Mosul hatten vier Optionen: Entweder zum Islam zu konvertieren, eine hohe Steuer zu bezahlen, auszuwandern – oder getötet zu werden. Deshalb sind die meisten geflohen. Zum Glück fanden sie Zuflucht in der kurdischen Region. Doch die Kurden hatten nicht genug Mittel, um ihnen zu helfen, deshalb mussten die Flüchtlinge in Zelten der Kirchen leben.

Hat sich die Lage verbessert?

Ja, Gott sei Dank. Ich war Ende Oktober zum dritten Mal im Nordirak. Die meisten Flüchtlinge haben dank des Engagements der lokalen Kirchen und der Hilfe internationaler Organisationen ein Dach über dem Kopf, drei oder vier Familien teilen sich eine Wohnung, fünf bis sieben Personen einen Wohnwagen. Natürlich sind das keine optimalen Bedingungen – aber wenigstens sind sie vor dem harschen Winter geschützt. Und der Wille, irgendwann zurückzukehren, ist ungebrochen.

Gibt es Hoffnung, dass das irgendwann möglich sein wird?

Sie haben die Hoffnung – und wir versuchen, diese Hoffnung am Leben zu erhalten. Aber die grosse Frage bleibt: Wer wird diese Menschen gegen den IS beschützen, wenn sie heimkehren? Deshalb bitten wir um internationale Hilfe für Christen in Nordirak. Dieses Gebiet hat das Potenzial, um in der Zukunft irgendwann eine autonome Region zu werden.

Sie streben also einen ähnlichen Status an, wie ihn die Kurden in Nordirak haben?

Ja, das ist machbar. So, dass die Christen in diesem kleinen Gebiet sicher und selbstbestimmt leben können – im besten Fall mit guten Beziehungen zur Regierung in Bagdad.

Braucht es zur Schaffung einer Sicherheitszone eine militärische Intervention des Westens?

Mir ist klar, dass es derzeit im Westen eine grosse Abneigung gegenüber militärischen Einsätzen gibt, deshalb verlange ich das auch nicht. Aber es muss andere Wege geben, um die Sicherheit dieser Menschen zu garantieren. So gelang es in den 90-er Jahren, die Kurden im Irak mit einer Flugverbotszone vor Saddam Hussein zu schützen, bis sie ihre eigenen Verteidigungskräfte aufbauen konnten.

Soll der Westen den bedrängten Christen auch Waffen liefern?

Die Menschen in dieser Region müssen sich selber verteidigen können, wenn niemand sie beschützt. Die kurdischen Behörden haben uns offen gesagt: Die Christen vertrauen uns nicht mehr, weil wir nicht in der Lage waren, sie zu beschützen – deshalb müsst ihr Wege finden, damit sie sich selber verteidigen können. Die Kurden haben deshalb klar für eine internationale Intervention plädiert, im Idealfall in Kooperation mit ihren eigenen Peschmerga-Einheiten.

Ist das ein Ja zu Waffenlieferungen?

Dazu will ich mich nicht äussern, das ist kein Gebiet, in dem ich mich gut auskenne.

Fühlen Sie von Seiten der Bevölkerungen in Europa und den USA Mitgefühl – oder vor allem Gleichgültigkeit?

Von den Christen fühlen wir auf jeden Fall Mitgefühl. Als gleichgültig nehmen wir leider die westlichen Regierungen wahr. Diese sind offenbar aus Gründen der Political Correctness sehr vorsichtig, wenn es um religiöse Belange geht. Aber auch wir Christen haben den Anspruch, dass unsere grundlegenden Menschenrechte respektiert werden.

Sie haben in Bern Innenminister Alain Berset getroffen – was erwarten Sie von ihm?

Es gibt zwei Punkte, die mir am Herzen liegen. Erstens sollen die Direktbetroffenen vor Ort Hilfe bekommen, via die lokalen Kirchen. Das ist der effizienteste Weg, damit die Hilfe auch wirklich ankommt. Zweitens möchte ich die Schweizer Regierung bitten, auf eine sichere Zukunft für diese Menschen im Nordirak hinzuarbeiten und friedliche Lösungen für den Bürgerkrieg in Syrien zu finden.

Was kann denn die Schweiz in dieser Region überhaupt erreichen?

Sie kann Treffen der Opposition mit der syrischen Regierung durchführen. Sie kann Projekte unterstützen, welche den Menschen helfen, in ihrer Heimat zu bleiben. Das ist unser Ursprungsgebiet, wir leben seit Tausenden von Jahren dort – unsere syrisch-aramäische Sprache hat dem Land den Namen gegeben! Wir wollen nicht, dass unsere Glaubensbrüder dieses Gebiet verlassen müssen.

Soll die Schweiz auch mehr Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufnehmen?

Wie gesagt, möchten wir die Menschen darin unterstützen, in ihrer Heimat zu bleiben. Trotzdem bitte ich die Schweiz natürlich darum, die Flüchtlinge, die hierher kommen, mit offenen Armen zu empfangen. Denn das sind friedliebende Menschen, die vor einer schrecklichen Situation geflohen sind. Und es sind hart arbeitende Leute, von denen die Schweizer Gesellschaft profitieren kann.

Der für die Schweiz zuständige Erzbischof Dionysios wünscht sich eine offizielle Anerkennung der syrisch-orthodoxen Kirche in der Schweiz. Unterstützen Sie ihn bei diesem Anliegen?

Natürlich. Unsere Kirche ist hierarchisch aufgebaut, mit dem Patriarchen an der Spitze. Aber wir wünschen uns, dass jede unserer Diözesen in der ganzen Welt sich aktiv in die Gesellschaft vor Ort einbringt. In Europa ist das Christentum sehr schwach geworden, der Einfluss der Religion bewegt sich gegen Null. Daher sollte die Gesellschaft zurückfinden zu ihren christlichen Wurzeln und Werten. Und je mehr Kirchen dank einer Anerkennung gedeihen, desto bessere Menschen gibt es in einer Gesellschaft.

Sie sind erst seit einem halben Jahr im Amt, die hiesige Diözese ist die erste in Europa, die Sie besuchen – warum? Die Schweiz ist ja nicht gerade das wichtigste aller Länder.

Für uns ist die Schweiz sehr wichtig: Die Schweizer sind friedliebend und ihnen liegen die Menschenrechte sehr am Herzen.

Patriarch die syrisch-orthodoxe Kirche

hhs./hä. Ignatius Ephrem II. Karim leitet seit März als Patriarch die syrisch-orthodoxe Kirche, die eine der ältesten der Welt ist und weltweit rund fünf Millionen Mitglieder hat. Der 49-Jährige, der aus der nordsyrischen Stadt Qamischli stammt, war zuvor als Erzbischof für die Gläubigen im Osten der USA zuständig. Er hat derzeit Sitze in der syrischen Hauptstadt Damaskus und im Libanon.

Quelle: http://beta.nzz.ch/schweiz/oberhaupt-der-syrisch-orthodoxen-die-westlichen-regierungen-sind-gleichgueltig-1.18436949

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