> Papst besucht bedrängte Glaubensbrüder in der Türkei (November 2014)
Papst besucht bedrängte Glaubensbrüder in der Türkei
„Wir nutzen das Gebäude als Kloster und halten gelegentlich theologische Konferenzen dort ab“, sagt Pater Dositheos. „Aber natürlich wünschen wir uns, dass wir dort wieder unsere Geistlichen ausbilden dürfen.“ Dositheos ist der Sprecher des Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, dem in Istanbul residierenden Oberhaupt der weltweiten Orthodoxie. Am Sonnabend erwartet der Patriarch hohen Besuch: Zum wichtigsten Fest des Patriarchats, dem Andreasfest, reist das Oberhaupt des westlichen Katholizismus, Papst Franziskus, an den Bosporus.
Die dreitägige Visite, bei der der Papst schon heute das Mausoleum des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk besuchen und von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu empfangen wird, ist der erste Besuch von Franziskus in der Türkei. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit wird er auch eine Moschee besuchen.
Vor allem zwei Themen dürften im Zentrum seiner Reise stehen:
Die Situation in Syrien und dem Irak – und die schwierige Lage der Christen in der Türkei.
Formell nämlich herrscht auch am Bosporus Religionsfreiheit. Doch tatsächlich ist das geschlossene Priesterseminar von Chalki und das damit verbundene Verbot, Geistliche auszubilden, nur ein Beispiel für die schwierige Situation der einheimischen Christen.
So müssen in der Türkei auch christliche Schüler den islamischen Religionsunterricht besuchen.
Mancherorts, etwa in den Städten und Dörfern des Tur Abdin, des traditionellen Siedlungsgebieten der syrisch-orthodoxen Christen im Südosten des Landes, hat man sich stillschweigend darauf verständigt, dass die Angehörigen der religiösen Minderheit nicht am islamischen Unterricht teilnehmen müssen. Doch am Ende fehlen dann wertvolle Punkte für das Abitur. Und auch das Aramäische, die schon von Jesus Christus gesprochene Sprache der syrisch-orthodoxen Christen, darf an öffentlichen Schulen nicht gelehrt werden, beklagt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Doch für den syrisch-orthodoxen Gottesdienst ist die Kenntnis dieser Sprache „unumgänglich“: Denn die komplette Liturgie wird auf Aramäisch gefeiert. Dazu leiden vor allem die Klöster der Orthodoxen unter teils bizarren Landstreitigkeiten mit benachbarten Dörfern.
Auch Papst Franziskus wird die Situation der christlichen Kirchen in der Türkei bei seiner Reise am eigenen Leib erfahren. Denn dort gilt er nicht als Kirchenoberhaupt: Alle nicht-muslimischen Gemeinschaften sind in der Türkei keine eigenständigen Rechtspersönlichkeiten – was auch der jüngste Fortschrittsbericht der EU zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bemängelt. Ihre Gotteshäuser dürfen sie nur über das Hilfskonstrukt einer religiösen Stiftung besitzen. Oder sie werden auf den Namen einer Privatperson eingetragen. Was zu der kuriosen Situation führt, dass manche griechisch-orthodoxe Kathedrale im Privatbesitz eines Bischofs ist.
Und eben dazu, dass der eigentlich dem religiösen Dialog mit der Orthodoxie und dem Islam dienende Besuch von Franziskus protokollarisch ein Staatsbesuch ist: Das Oberhaupt des Vatikanstaats kommt ins Land.
Quelle: http://www.weser-kurier.de/startseite_artikel,-Papst-besucht-bedraengte-Glaubensbrueder-in-der-Tuerkei-_arid,999799.html
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Foto: AP/dpa
Papst und Patriarch betonen Willen zur Einheit
Beide verbinde ein starkes gemeinsames Glaubensfundament, auf dem sie gemeinsam voranschreiten könnten, sagte Franziskus am Samstag am Sitz des Ökumenischen Patriarchats, dem Fanar, in Istanbul im Beisein von Bartholomaios I. Dieser dankte dem Papst für seinen Besuch, der ihn vom Alten in das Neue Rom geführt habe.
In seiner Begrüßungsrede nannte Franziskus das Ehrenoberhaupt von 300 Millionen Orthodoxen seinen „verehrten, geliebten Bruder“ und verwies darauf, dass die Jünger Andreas, der Schutzpatron des Patriarchats, und Petrus nicht nur Brüder von Geblüt, sondern auch im Glauben und in der Liebe zu Christus gewesen seien.
Reuters/Tony Gentile
Brüder
Als Brüder in der Hoffnung auf den auferstandenen Herrn trügen ihre Nachfolger große Verantwortung, gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Diese gemeinsame Hoffnung werde nicht enttäuscht werden, sagte Franziskus.
TV-Tipp
Orientierung bringt am Sonntag um 12.30 Uhr in ORF 2 eine Zusammenfassung der Papstreise in die Türkei.
Mehr dazu: Papst in der Türkei: Dialog und ökumenische Signale
Er zitierte den Vers des Propheten Zacharias: „Seht, ich werde mein Volk befreien aus dem Land des Sonnenaufgangs und aus dem Land des Sonnenuntergangs ... und ich werde ihr Gott sein, unwandelbar und treu.“
Bartholomaios I. erinnerte zunächst an die Besuche der drei Vorgängerpäpste Paul VI. (1963-1978), Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013). Die Reise von Franziskus an den Bosporus bringe den Wunsch zum Ausdruck, „dass der brüderliche und kontinuierliche Weg mit unserer orthodoxen Kirche zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen fortgesetzt wird“.
Vertrauensvolle Beziehung
Am Freitag hatte der Patriarch in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Avvenire“ die enge und vertrauensvolle Beziehung betont, die ihn mit Franziskus verbinde. Seine Wahl habe einen „neuen Antrieb“ für die ökumenischen Bemühungen zur Folge gehabt.
Gemeinsam beteten Papst und Patriarch danach das Vaterunser, der Papst auf Lateinisch, Bartholomaios auf Griechisch. Anschließend umarmten sie sich und Bartholomaios küsste Franziskus auf dessen Scheitelkappe. Zum Schluss zogen sie sich zu einem privaten Gespräch zurück.
Vor dem Treffen hatten Papst und Patriarch gemeinsam mit zahlreichen Oberhäuptern von Ostkirchen einen gemeinsamen Gottesdienst in der katholischen Heilig-Geist-Kathedrale Istanbuls gefeiert. Der Papst würdigte bei diesem Anlass die Vielfalt christlicher Kirchen als Bereicherung. Sie sei ein Zeichen der Inspiration durch den Heiligen Geist, nicht der Spaltung, sagte er in seiner Predigt.
Gefahr von Spaltung
Allerdings bestehe die Gefahr von Spaltungen, wenn die Christen nicht offen blieben füreinander. „Und es ist immer einfacher und bequemer, sich in den eigenen statischen und unveränderlichen Positionen auszustrecken“, so Franziskus. Umgekehrt dürfe der Wunsch nach Einheit aber auch nicht zur Uniformität der christlichen Kirchen führen.
Reuters/Osman Orsal
Bei der interrituellen Messe waren auch der syrisch-katholische Patriarch, Ignatius III. Younan, der Istanbuler Vikar der Armenisch-Apostolischen Kirche, Erzbischof Aram Ateshian, der syrisch-orthodoxe Metropolit von Istanbul, Filuksinos Yusuf Cetin sowie Vertreter evangelischer Kirchen anwesend. Während der Feier wurden Gebete in mehreren Sprachen gesprochen, darunter Armenisch, Türkisch und Aramäisch sowie europäischen Sprachen.
Der Papst mahnte die Teilnehmer, jede Haltung von Ehrgeiz und Eitelkeit abzulehnen. „Diese Verteidigungsmechanismen hindern uns, die anderen wirklich zu verstehen und uns für einen ehrlichen Dialog mit ihnen zu öffnen.“ Wenn sich die Menschen allein der Leitung durch den Heiligen Geist anvertrauten, könnten Unverständnis, Streit und Spaltung überwunden werden, sagte er.
religion.ORF.at/KAP
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Quelle: http://religion.orf.at/stories/2682014/