Jakob von Sarug, gelegentl. Jacob von Serugh od. Jacob von Batnä, (* 451 in Kurtam; † 29. November 521) war Bischof und einer der bedeutendsten syrischen/aramäischen Hymnendichter.
Er war eine Koryphäe seiner Zeit, von Natur aus ein Poet, unübertrefflich, souveräne, einer der Wortgewaltigsten, der sich voller Eifer und mit Genauigkeit der Dichtung widmete. Sein Talent, ja eine innere Kraft trieben ihn dazu; seine eigene Poesie überwältigte ihn. So wehten seine Gedichte wie der Wind und flogen ohne Flügel über alle Grenzen. Seine Dichtung dringt direkt ins Herz ein und erfreut jeden, der sie hört. Liest man ein Gedicht von ihm, so liebt man es bis zur Leidenschaft, er fesselt die Herzen. Seine Dichtung zeichnet sich aus durch einen makellosen Stil, durch Scharfsinn, erlesende Themen, gewaltigen Ausdruck und durch gute Rhetorik und Formulierung. Er ist eine Nachtigall der Begriffe, sein Zwitschern ermüdet nicht, er ist der ausführlichste begabteste Dichter, der die auserlesensten und genialsten Ausdrücke hervorbrachte, die von keinem erreicht werden konnten.
Er schrieb lange Gedichte, die manchmal 2000, 3000 und mehr Verse umfassen. Er fängt mit den Versen atemberaubend an und beendet sie bezaubernd. Er zieht wie ein Ritter in den Kampf beim Verfassen seiner Gedichte. Der Leser wird müde, er aber nicht. Je mehr der Dichter ins Thema eindringt, desto Zauberhafter wird das Gedicht. Er bringt neuerfundene Worte, schöne Ausdrücke, die einem das Gefühl vermitteln, als schwimme man auf einem Meer von Juwelen der Neuheiten der Literatur.
Lies seine Mimre über das Asketentum, die Weltentsagung, die Buße und suche die Vernunft! Dann wirst du mit dem Gedicht nicht aufhören, bevor du merkst, wie die Askese in dein Herz eindringt und wie minderwertig die Welt ist und wie die Liebe zur Frömmigkeit und die Anbetung zu Gott dich fesseln werden. Wie hartherzig du auch gegenüber der Rechtschaffenheit sein magst, der Autor zieht dich zum Tore Gottes, sodass du anklopfst und dich der Lehre Gottes verbunden fühlst. Gott ist es zu verdanken, wie kundig er in den Krankheiten der Seelen und deren Behandlungen war, und wie groß sein Einfühlungsvermögen war, die harten Herzen zu fesseln, und wie viel mehr die reinen und sanftmütigen. Gott inspirierte ihn und so wurde seine Zunge zur Quelle der Weisheit und trefflicher Urteile.
Er ist einer der Auserwählten Gottes und der am meisten gerühmte Heilige seiner Zeit, einer Epoche des Glaubens und des Heldentums und der rechten religiösen Prinzipien, in der die Irrlehrer besiegt wurden. Gott segnete seine Epoche, die große Gelehrte hervorbrachte, welche geduldig Mühsale ertrugen und nach den Idealen strebten, und es deshalb verdienen, an die erste Stelle gesetzt zu werden wie Philoxenus von Mabugh, Paulos von Kallinikos, Paulos von Tello, Zacharia von Mitylene, Severos von Antiochien; Monumente sondergleichen, die im Laufe der Zeiten seltene Erscheinungen sind.
Deswegen nannte die Kirche ihn „den Gelehrten“, „die Harfe des göttlichen Geistes“, „die Zither der orthodoxen Kirche“, „die Krone der Gelehrten“, „ihren Schmuck“ und „ihren Stolz“.
Mor Jakob wurde 451 in Dorf Kurtam am Euphrat geboren. Als Geburtsort wird auch Hauro, im Kreise von Srugh, angegeben. Er genoss seine Bildung an der edessenischen Schule und zeichnete sich durch sehr gute Leistungen in der Sprache, Philosophie und Theologie aus. Er wurde Asket und Mönch.
Zweiundzwanzigjährig trug er fünf Bischöfen aus dem Stegreif auf deren Vorschlag sein berühmtes Gedicht über den Wagen Ezechiels vor, in Batnan Srug oder nach unsicher belegter Erzählung in Nisibis. Sie anerkannten seine außergewöhnliche Dichtkunst und gaben ihrer Gewissheit ausdruck,
dass Gott, der Erhabene, ihn in seiner Güte, die er allein zu geben vermag, ausgezeichnet hat. In seinem Lebenswandel zeichnete er sich durch tiefe Frömmigkeit aus. Zunächst wurde er mit der Weihe zum Priester geehrt, danach wurde ihm der Rang des Periodeuten (ein vom Bischof eingesetzter Visitator der Diözese und Klöster) für die Stadt Hauro verliehen. Alsdann begann er, in den Ländern des Euphrat und Syriens umherziehend, die Klöster zu besuchen, er, der einen ehrenvollen Platz im Herzen von hunderten, ja sogar tausenden von Mönchen einnahm, mit dem, worin er sich an Gottesfurcht, Glauben, Vertrauen und Gelehrsamkeit auszeichnete. Gegen Ende seines Lebens 519 wurde er auf den Stuhl des Bistums von Batnan Srugh erhoben. Er blieb allerdings nur ein Jahr und 11 Monate im Amt. Am 29. November 521 starb er im Alter von 70 Jahren. Die Kirche feiert sein Gedächtnis. Sehr viel später wurden seine Reliquien nach Amida überführt.
Bei ihm studierten viele Schüler, von denen sein Schreiber Habib, der Edessener, und ein Asket namens Daniel bekannt wurden. Bar Hebräus sagte, dass 70 Schreiber seine Gedichte vervielfältigten. Seine Sammlung umfasst 760 Gedichte, deren erstes über den Wagen Ezechiels ist und die letzten von Golgatha handeln. Sein Tod verhinderte dann aber deren Vollendung. Alle seine Gedichte sind in einem zwölfsilbigem, nach seinem Namen Jakob von Srugh (Srughoyo) bennanten Metrum geschrieben. Diese Mimre behandeln exegetisch Themen mit den wichtigsten Ereignissen aus dem Alten und Neuen Testament sowie den Glauben, die Tugend, die Buße, die Auferstehung, die Tischgebete, die Toten und sie lobpreisen Mariä, die Propheten, Apostel und Märtyrer. Speziell erwähnte er die Heiligen Petrus, Paulus, Thomas, Adday, Johannes den Täufer, Guryo, Schmuni, Habib, Sergios, Bakchos, die Siebenschläfer, Gewargis, die Märtyrer von Samosata, Aphrem und Schemhun den Styliten. Die syrische Kirche singt morgens und abends ausgewählte Teile seiner Mimre zum Preis Gottes, des Herrn der Schöpfung. So bewahrt sie sein Angedenken. In unseren Bibliotheken in Zahfaran, Jerusalem und Mardin sowie in der Bibliothek des Vatikan und im Britischen Museum sind mehr als 400 Mimre, meist auf Pergament geschrieben, erhalten. Der Mönch Paul Bedjan publizierte 200 Mimre in fünf großen Bänden. Es wird geschätzt, dass sie insgesamt 19 Bände umfassen. Es wurden ungefährt 77 Gedichte aus dieser Sammlung der Jahrespredigten gesammelt und in einem Bund niedergeschrieben, der sich von den bekannten Bänden unterscheidet und in Beth Sbirino aufbewahrt wird. Wir haben von ihm Madroshe nach dem gleichen Versmaß wie „Gott, der auf dem Berg Sinai hinab kam“, die erste davon über die Heiligen und zwei Sughyotho über die Buße. Einige Gedichte sind ihm zugeschrieben, eine philosophische, akrostichische, auf 22 Buchstaben aufgebaute Sughytho nach der Melodie „Gott lass mich von deiner Quelle trinken.“ Sie ist dem Edessener gewidmet, wie Mingana berichtet. Hinzu kommen Gedichte über die Heuchschreckenplage, die die Länder im Jahr 500 erleiden mussten.
Zu seinem Nachlass an Prosaarbeiten gehört eine Sammlung von Florilegien, die sich durch einen sehr schönen und eleganten Stil auszeichnen. Eine Sammlung mit einer Auswahl dieser Florilegien – 43 Stück – ist erhalten, die 1937 in London publiziert wurde (drei Bände). Der größte und wichtigste Band wurde im Jahr 603 kopiert. Er beinhaltet folgende Arbeiten:
1. Einen Brief, den er an Stephanus bar Shudeyle, den Häretiker, richtete, in dem er ihn aufforderte, den rechten Weg zu gehen. Hinzu kommt ein zweiter Brief an Stephanus, bevor derselbe seine häretischen Ideen öffentlich bekannt gab, in dem die diesem riet, seine Lebensführung mit der Frömmigkeit zu verflechten, seine bösen Eingebungen zu vertreiben; später aber anathematisierte Mor Jakob ihn auf seiner Synode in Anwesenheit einiger Bischöfe.
2. Einen Brief über den Glauben,
3. eine Schrift an den Priester Tuma über den Glauben,
4. einen Brief an Antonius, Bischof von Aleppo,
5. an den Priester Johannon,
6. an die Mönche der Arsun-Zitadelle in Persien,
7. an die Mönche am Sinai-Berg,
8. an Mor Habib eine Botschaft des Friedens in der Auferstehung,
9. an den Archidiakon Julian,
10. an Stephanus, den offiziellen Schreiber, über die Heilstaten Christi,
11. an den Askten Paulus,
12. einen stark beschädigten Brief,
13. an Lohozor, den Abt des Mor-Bassos-Klosters und dessen Mönche, über die Taten Jesu,
14. eine Bittschrift an die Mönche des Mor-Bassos Klosters,
15. einen Brief von Mönchen des Mor-Bassos Klosters an ihn,
16. ein Antwortschreiben an die Mönche des Mor-Bassos Klosters,
17. einen dritten Brief an die selben (Mor-Bassos Klosters), der einen einzigartigen und unwiderruflichen Beweis für sein Festhalten am orthodoxen Dogma darstellt,
18. an die himjaritischen Bekenner in Naghran,
19. an Samuel, den Abt des Mor-Ishoq-Klosters in Gabbul, über den Glauben,
20. einen Brief an die Bevölkerung Edessas in dem er sie an das Versprechen erinnert, das Christus dem König Abgar gab,
21. an die Äbte Antiochiens, Shemhun, Samuel, Johannon, Sergius und Ignatius, über die Geburt des Hernn und seine Kreuzigung,
22. an Jakob den Abt des Naysata-Klosters,
23. eine Antwortschrift an Maron auf sechs Fragen des heiligen Schrift, die an Mor Jakob in einer Sprache, die nicht syrisch war gestellt wurden; sie umfasst 36 Seiten,
24. ein Schreiben über „Und wer da redet ein Wort wider des Menschen Sohn, dem soll es vergeben werden, wer aber lästert den Heiligen Geist, dem soll es nicht vergeben werden“,
25. einen Brief an einigen seiner Freunde,
26. ein Trostschreiben an Mara, den Bischof von Amida,
27. einen Brief an den Asketen Daniel über dessen Angst vor dem Dienen im Priestertum,
28. einen Brief über die Reue der Seele,
29. und 30. an einige seiner Freunde,
31. an einen Freund über den Karsamstag,
32. an Paulus, Metropolit von Edessa, über den Vers: „Liebet eure Feinde“,
33. an Eutychianos, den Bischof von Dara, über den Glauben,
34. ein Schreiben an Simi, den er wegen dessen Sohnes tröstet,
35. an Basakont, den Prinzen von Edessa, über den Glauben,
36. an Kyros, den Chefarzt, mit eine Erklärung über den rechten Glauben,
37. an die zwei Ehebrecherinnen, Leontia und Maria, die Buße taten und sich dem Asketentum zuwandten,
38. an einen Einsiedler, der öffentlich an teuflischen Halluzinationen litt,
39. an den Eremiten Daniel,
40. an einige Asketen,
41. an einen Freund Shemhun,
42. an einen armen Menschen, der die Erlösung seiner Seele durch einen tugendhaften Lebenswandel sucht,
43. an einen seiner Freunde.
Wir lasen auch einige an seine Freunde gerichtete Briefe sowie Predigten, die in seiner Sammlung nicht verzeichnet sind.
Der Verfasser der Chronik, die Jesu dem Styliten zugeschrieben wird, erwähnte auf Seite 280, dass viele, als die Bevölkerung durch den Krieg zwischen den Persern und Römern im Jahre 503 von Furcht ergriffen war, aus dem Lande östlich des Euphrat ausgewandert seien. So begann Jakob von Srugh ihnen Briefe zu schreiben, in denen er ihnen Hoffnung auf göttliche Rettung gab und ihnen riet, in ihren Heimatländern zu bleiben und standzuhalten. Von diesen ist nur der zwanzigste Brief erhalten geblieben, der von den Bewohnern von Edessa gerettet wurde.
Zu seinem Nachlass gehören auch elf Homilien über Weihnachten, Epiphanias, Christi Darbringung im Tempel, das Vierzigtägige Fasten, den Donnerstag vor dem Palmsonntag, Palmsonntag, Karfreitag, den Sonntag der ungesäuerten Brote, die Auferstehung, den Neuen Sonntag. Die letzte beginnt mit dem Satz: „Eine durchdringende Freude über das Begreifen erfüllt mich heute…“ und eine andere über die Buße und sie beginnt so: „Wir sollten nicht traurig sein, wenn die Tage unseres Leben begrenzt sind und der Faden unseres Leben abzureißen naht…“. Hinzu kommen Trostpredigten und zwei Anaphoren, von denen die erste 519 verfasst wurde. Sie beginnt mit dem Satz: „Herr, unser Gott, Schöpfer aller Dinge, der sichtbaren und unsichtbaren“ und umfasst 24 Seiten. Die zweite beginnt mit dem folgenden Satz: „O Herr, dessen Name gebenedeit ist, von Ewigkeit her.“ In unserer Bibliothek existiert außerdem ein Exemplar einer Anaphora, die mit dem Satz beginnt: „Herr, unser Vater, der du der Friede ohne Grenzen bist“; es umfasst 21 Seiten. Er verfasste auch ein Friedensgebet, das bei der Zelebration der Eucharistie zu Weihnachte gesungen wird, einige Prosagebete, die bei der Kommunion gesungen werden, ein Taufritual, und zwei Biographien der beiden Asketen Daniel Galshoyo und Hnino.
In der Chronik des Bar Hebräus wird erwähnt, das von Jakob von Srugh Kommentare, Briefe, Madroshe, und Sughyotho stammen, aber auch ein Kommentar zu den Sechshundert Aphorismen des Ewagrius und dass damit Jakob den Wunsch seines Schülers Gewargis, des Bischofs der Araberstämme, erfüllt habe. Da aber der selbe 725 starb, müsste der Kommentar entweder von Jakob von Edessa stammen oder der Satz wurde von irgendeinem Schreiber ins Werk des Bar Hebräus interpoliert.
Dieses Buch ist verloren gegangen. Im Jahr 1095 verfasste Said bar Sabuni, Metropolit von Melitine – der Wissenschaftler seines Jahrhunderts -, ein einzigartiges Gedicht über Mor Jakob, in dem dessen wertvolle Charakterzüge und Eigenschaften vollends beschrieb.
Entnommen von Moran Mor Ignatios Aphrem I. Barsaum
Geschichte der syrischen Wissenschaften und Literatur
Aus dem Arabischen übersetzt von Georg Toro und Amil Gorgis