>Christen im Nordirak und im Turabdin

>Christen im  Nordirak und im Turabdin

Bischofsbericht und Äußerung der Landessynode: Nordirak u. Syrien (März 2015)

Im aktuellen  Bischofsbericht von Landesbischof  Heinrich Bedford-Strohm, 

München war u.a. unter Punkt 3 ein Abschnitt über die gegenwärtige Situation der Christen im Nordirak und

in Syrien zu lesen – der Bischofsbericht wurde vor der Bayrischen Landessynode im März 2015 gehalten:

3. Situation im Irak und in Syrien

Seit meinem Besuch im Nordirak im September 2014 hat sich die Lage der Christen und der anderen Minderheiten dort weiter verschlechtert. Wir sind Zeugen des Versuchs der totalen Auslöschung christlicher Kultur im Nahen Osten. Die Terrormilizen des sogenannten „Islamischen Staates“ gehen mit unerträglicher Grausamkeit gegen alles vor, was ihrer engen und fanatischen Auslegung des Koran widerspricht. Das Elend, was sie damit über Millionen von Menschen bringen, ist kaum zu ermessen. Neben den Eroberungen, Vertreibungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Morden wird mit der Zerstörung der antiken Denkmäler Mesopotamiens auch versucht, die kollektive Identität der Minderheiten und die jahrtausende alte Kultur zu zerstören. Die Christen des Irak sehen sich als Nachfahren der biblischen Assyrer mit ihrer Hauptstadt Ninive, dem heutigen Mossul. Die Zerstörung der assyrischen Schätze in Mossul durch IS war der gezielte Versuch, diese vorarabischen vorislamischen Wurzeln der Christen abzuschlagen.
Es wurden hier nicht nur Steine zerhauen, es wurde das Erbe und die Würde der heute christlichen Assyrer zerstört. Mit großer Sorge und Anteilnahme habe ich im Februar und März die Eroberung der christlichen Dörfer am syrischen Khabour-Fluss verfolgt. Die 35 Khabour Dörfer haben für die Christen des Nahen Ostens eine besondere Bedeutung. Sie wurden besiegelt, nachdem armenische und assyrische Christen 1915 vor Massakern aus dem Gebiet der heutigen Türkei fliehen mussten.

Viele zehntausend Christen siedelten sich damals im Gebiet des entstehenden Iraks an. Als es auch dort 1933 zu schlimmen Gräueln von irakischen und kurdischen Truppen gegen Christen kam, siedelten die Menschen erneut um, in das bis dahin unbesiedelte Khabour-Tal in Syrien. Dass heute, 100 Jahre nach dem Völkermord an Assyrern, Armeniern und Pontosgriechen, wieder Christen des Nahen Ostens vor einem sich anbahnenden, um nicht zu sagen schon begonnenen Völkermord fliehen müssen, ist unerträglich.
Ich habe nach meinem Besuch im Nordirak deutlich gesagt, dass die verfolgten Minderheiten und alle Opfer des IS-Terrors geschützt werden müssen, wenn es sein muss, mit Waffen. Ich unterstütze die weltweite Aktion „Demand for Action“ der orientalischen Christen als dringender Ruf an die UN, endlich aktiv zu werden für den Schutz der Menschen des Nahen Ostens. Ich weiß, dass das Modell einer UN-Schutzzone mittlerweile kontrovers diskutiert wird im Blick auf die Machbarkeit und die Kosten. Was aber kann wichtiger sein als der Schutz von Menschen? Ich appelliere daher dringend an die Vereinten Nationen, die Zukunft des Nahen Ostens endlich mit der notwendigen Intensität zu thematisieren, Konzepte dafür zu entwickeln, wie Menschen geschützt werden können und wie die religiöse und ethnische Vielfalt erhalten werden kann. Wir stehen als bayerische Kirche weiterhin an der Seite unserer Glaubensgeschwister im Nahen Osten. Für die Flüchtlinge der Khabour-Dörfer haben wir als Soforthilfe € 200.000,- gegeben.

Die Hilfsprojekte im Irak, im Libanon und Jordanien laufen über den Lutherischen Weltdienst, mit unserer Unterstützung.

Wir stehen auch an der Seite der orientalischen Christen hier in Deutschland. Sie begehen am 24. April den 100. Jahrestag des Genozids an Christen in den Wirren des zerfallenden osmanischen Reichs. Wir fühlen mit den Nachfahren der Opfer, denen bis heute nicht zugestanden wird, in ihrer türkischen Heimat zu trauern – während sich jenseits der Grenze in Syrien und dem Irak der nächste Versuch abzeichnet, christliche Kultur auszulöschen. Es ist die Tragik des Orients, dass auf eine ungeheilte Gewalt-Erinnerung die nächste Gewalterfahrung folgt und sich so eine Trauma-Schicht auf die nächste legt. Es ist unser aller Auftrag, sich in alledem nicht überwinden zu lassen von dem Bösen, sondern das Böse mit Gutem zu überwinden.

Die Ereignisse in Syrien und im Irak bewegen und bedrücken uns zuallererst, weil die Menschlichkeit mit Füßen getreten wird, weil Menschen gequält, gefoltert und ermordet werden. Aber sie bewegt und bedrückt uns auch, weil der Name Gottes zur Rechtfertigung solcher Taten in den Mund genommen und damit in unerträglicher Weise missbraucht wird. Dass jedenfalls viele der Kämpfer des IS wirklich meinen, ihr Wüten habe etwas mit Gott zu tun, macht uns fassungslos. So fassungslos, wie uns die Erkenntnis macht, dass auch in der Geschichte des Christentums barbarische Taten mit dem Namen Gottes gerechtfertigt worden sind. Wir haben im Christentum glücklicherweise seitdem eine schmerzliche, aber nachhaltige Lerngeschichte hinter uns, die dazu geführt hat, dass die modernen Menschenrechte und die Berufung auf die Menschenwürde innerhalb der Kirchen als das erkannt wurde, was es tatsächlich ist: ein Ausdruck zentraler Inhalte der jüdisch-christlichen Tradition, für die die Kirchen sich deswegen von ihrem ureigenen Auftrag her leidenschaftlich einzusetzen haben.

Noch einmal intensiviert durch die Anschläge von Paris, wird die Diskussion um die Gewaltaffinität religiöser Überzeugungen daher heute vor allem im Hinblick auf den Islam geführt. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten in den letzten Monaten dafür zu werben versucht, aus den fürchterlichen Ausdrucksformen des gewalttätigen Islamismus nicht eine pauschale Abwertung des Islam als Religion abzuleiten. Aber dass es im Islam ebenso wie in allen anderen Religionen Anlass zur selbstkritischen Aufarbeitung gewaltaffiner Traditionen gibt, ist auch klar.

Ich bin überzeugt, dass es gerade jetzt die Aufgabe der Religionen ist, gemeinsam als Kraft des Friedens, der Gerechtigkeit und der Überwindung von Gewalt in der Gesellschaft erkennbar zu werden.
Deswegen brauchen wir nicht weniger, sondern mehr interreligiösen Dialog.

 

Demonstration für die Christen im Nordirak und in Syrien in Stuttgart Aug. 2014

Äußerung der Landessynode der Evang.-Luth. Kirche in Bayern
zur Situation der Christen
in Syrien und im Irak

(beschlossen ohne Gegenstimmen vom Plenum der Landessynode am 19.3.2015)

Die Lage der Christen und der anderen Minderheiten wie Jeziden, Kurden und auch muslimischen Gruppen in Syrien und im Irak, hat sich weiter verschlechtert. Dies wurde in den letzten Wochen deutlich bei den Angriffen auf die christlichen Dörfer am Khabour-Fluß in Ostsyrien. Tausende flohen in die Provinzstadt Hassake, Hunderte wurden entführt, die Existenz der christlichen Dörfer ist bedroht. Wir sind Zeugen des Versuchs der totalen Auslöschung christlicher Kultur im Nahen Osten. Die Terrormilizen des sogenannten „Islamischen Staates“ gehen mit unerträglicher Grausamkeit gegen alles vor, was ihrer engen und fanatischen Auslegung des Koran widerspricht.

Mit großer Sorge und Anteilnahme verfolgen wir das Schicksal unserer Glaubensgeschwister in Syrien und im Irak. Gemeinsam mit den Flüchtlingen aus den orientalischen Kirchen in unserer Mitte leiden wir mit den Kindern, Frauen und Männern, die im Nahen Osten schrecklicher Verfolgung und Bedrohung ausgesetzt sind. Neben den Eroberungen, Vertreibungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Morden wird mit der Zerstörung der antiken Denkmäler Mesopotamiens auch versucht, die kollektive Identität der Minderheiten und die Jahrtausende alte Kultur zu zerstören. Die Christen des Irak sehen sich als Nachfahren der biblischen Assyrer mit ihrer Hauptstadt Ninive, dem heutigen Mosul. Die Zerstörung der assyrischen Schätze in Mosul und der Ruinenstädte Nimrod, Hatra und Chorsabad durch den „Islamischen Staat“ ist der gezielte Versuch, diese vorarabischen und vorislamischen Wurzeln der Christen abzuschlagen. Es werden hier nicht nur Steine zerhauen, es wird das Erbe und die Würde der christlichen Assyrer zerstört.

Als Evangelisch Lutherische Kirche in Bayern stehen wir an der Seite unserer bedrängten Glaubensgeschwister. Wir ermutigen die Kirchengemeinden an der Fürbitte für die bedrängten Christen und anderen Minderheiten im Nahen Osten festzuhalten und im Gebet nicht nachzulassen.

Wir unterstützen die weltweite Aktion „Demand for Action“ der orientalischen Christen als dringenden Ruf an die Vereinten Nationen, endlich für den Schutz der Menschen des Nahen Ostens aktiv zu werden. Deshalb appellieren wir dringend an die Vereinten Nationen, die Zukunft des Nahen Ostens endlich mit der notwendigen Intensität zu thematisieren, Konzepte dafür zu entwickeln, wie Menschen geschützt werden können und wie die religiöse und ethnische Vielfalt erhalten werden kann.

Wir appellieren an die Bundesregierung, ein weiteres größeres Aufnahmekontingent für Flüchtlinge aus Syrien und Irak, die dem Krieg dort entkommen sind, zu beschließen.

Ausdrücklich danken wir allen, die sich bei uns in der Flüchtlingsarbeit engagieren und so für eine positive Willkommenskultur in unserer Gesellschaft eintreten.

Kinder, die nach mit ihren Familien nach Dohuk geflohen sind

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