Gebete Aramäisch-Deutsch

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Vater Unser auf Aramäisch und Vater Unser auf Lateinschrift in Aramäisch

 

 

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Das "Vater Unser" in Aramäischer Schrift und lateinisch-deutscher schrift:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Vater Unser auf Aramäisch - Handschrift von Kalligraf Malfono Ishak E. Be Hanuno Gabriel

 


 

Das syrisch-orthodoxe Credo/Glaubensbekenntnis

 

 

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Das Gebet des Herrn:

Ein Kommentar von Seiner Heiligkeit Ignatius Zakay I. Iwas

Seine Heiligkeit Mor Ignatius Zakka I. Iwas Patriarch von Antiochien und dem ganzen Osten und Oberhaupt der Universal-Syrisch-Orthodoxen Kirche

übersetzt von Amill Gorgis

Unser Herr Jesus Christus lehrt uns das Gebet des Herrn.

Häufig suchte der Herr Jesus, gepriesen sei sein Name, das inständige Gebet mit seinem himmlischen Vater. Eines von diesen Gebeten ist das, welches er auf dem Ölberg betete. "Jesus betete einmal an einem Ort. Als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger das Beten gelehrt hat. Da sagte Jesus zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht:

Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Gib uns heute das Brot, das wir brauchen. Und erlaß uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern erlassen haben. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."

(Mt 6,9-13; Luk 11,1-4).

Die geistliche Wirkung des Gebetes des Herrn

Seit der Herr Jesus die Jünger das Gebet gelehrt hat, betet die Christenheit der ganzen Welt dieses Gebet zum himmlischen Vater im Namen des heiligen Sohnes – zu jeder Zeit, an jedem Ort, zu jedem Augenblick, in Zeiten des Wohlergehens und ganz besonders in Zeiten der Bedrängnis, in den Kirchen und vornehmlich während der göttlichen Liturgie bzw. während des Stundengebetes. So beten die Gläubigen es auch in ihren Wohnhäusern und an ihrem Arbeitsplatz. Sie fühlen die weitreichende und geistliche Wirkung dieses Gebetes in ihrem Leben. Sie erfahren stetig seine erhabene Kraft sowie die stärkende und helfende Wirkung. Durch das Gebet werden die Bedürfnisse der Seele und des Leibes erfüllt. Wenn die Gläubigen das Vaterunser in Demut aussprechen, dann beten sie den wahrhaftigen Gott in Geist und Wahrheit an, sie verherrlichen seinen Namen. Sie erlangen von Ihm, dem Erhabenen, die innere Ruhe und den geistlichen Frieden . Außerdem erringen sie Erlösung von großen Versuchungen und Erlösung vom Satan und seinen Mächten. Nicht zuletzt werden sie mit dem geistlichen Glück in dieser Welt gesegnet, und sie erlangen die unerschütterliche Hoffnung auf das Ewige Leben.

Wenn der Gläubige vor seinen Gott mit geläutertem Herzen und reinem Gewissen hintritt, während er das Herrngebet in Demut spricht und über seinen tiefen Sinn nachdenkt, dann steigt sein Gebet wie ein Weihrauch vor dem Herrn empor: "Wie ein Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf; als Abendopfer gelte vor dir, wenn ich meine Hände erhebe." (Ps 141,2).– "Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten." (Jak 5,16). Das Gebet des Herrn ist ein Wort des Geheimnisses, das die Tür des Himmels weit öffnet und zur Erfüllung der Fürbitten führt, die dem Vater im Glauben dargebracht werden. So hat es uns auch der Herr Jesus versprochen: "Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet." (Mt 7,7; Luk 11,9; Joh 16,24). Die Christenheit liebte und liebt dieses Gebet; sie meißelte es in ihr Herz ein, sie formte es zum Gedicht, sie vertonte es in vielen Melodien und übersetzte es in viele Sprachen, die nicht zu zählen sind. Es wurde auch auf den verschiedensten Instrumenten gespielt. Die Christen beteten es singend wie einen Lieblingspsalm. Das Gebet des Herrn ist ein anschauliches Bild, das der Herr für uns gemalt hat, um es uns beten zu lassen, und ein Muster, an dem wir unsere Bitten orientieren können.


Das Gebet des Herrn lehrte uns der Herr in der syrischen Sprache

Unser Herr hat uns Syrer mit seinem Gebet begnadet, damit wir dieses Gebet zu ihm, dem Erhabenen, in der syrischen Sprache beten, die er mit seinem Mund heiligte, indem er sie selbst sprach. So beten wir das Gebet des Herrn mit den selben Worten, die auch der Herr Jesus benutzte, und unsere Väter vertonten es seit dem 1. Jahrhundert. Wir singen es nach den alten Melodien, die tief in die Seele des Menschen eindringen und eine echte Gottesfurcht entstehen lassen.

Damit der Gläubige die ganze Bedeutung dieses Gebetes erfaßt, um es mit reinem Herzen zum Herrn emporsenden zu können, erachten wir es für erforderlich, den Heiligen Geist zu bitten, daß er uns hilft, das Gebet des Herrn auszulegen, indem wir uns auf die Exegesen der berühmten Väter stützen.

Die Einleitung des Gebetes des Herrn

Das Gebet des Herrn gliedert sich in:

- die Einleitung,

- die sieben wesentlichen Bitten und

- den Abschluß.

In der Einleitung richten wir das Gebet an den himmlischen Vater, indem wir beten: "Unser Vater im Himmel." (Mt 6,9).

"Unser Vater"

1. Mit diesem Wort beginnen wir als Kinder Gottes das Gebet. Wir sprechen ihn in der Eigenschaft eines Kindes an und nennen ihn "unser Vater". Wenn wir das Wort "Vater" (syrisch: "Abo") verwenden, um Gott, den Erhabenen, anzusprechen, drücken wir mit diesem Wort den Inhalt unseres christlichen Glaubens aus; denn wenn wir Gott "Vater" nennen, definieren wir damit unsere Beziehung zu unserem Gott, zu uns selbst und zu unserem Nächsten. Der Herr Jesus hat uns begnadet, daß wir uns als seine Geschwister und als Kinder des himmlischen Vaters bezeichnen dürfen. Darum hat er uns das Recht verliehen, ihn "unser Vater" zu nennen.

Und er hat diesen geliebten Namen auserwählt und bevorzugte ihn vor allen anderen Namen, mit denen Gott, der Erhabene und Mächtige, bezeichnet wird.

Denn das Wort "Vater" ist das heiligste Wort, das je ein Mensch aussprechen kann. Gibt es etwa auf der Welt etwas Wertvolleres als die Liebe eines Menschen zu seinem Vater? Wieviel mehr bedeutet es dann, wenn unser himmlischer Gott, Schöpfer, Ernährer und Fürsorger auch unser Vater ist! Wie erhaben ist diese Gnade, die der Herr uns geschenkt hat, daß unser Gottauch unser Vater ist.

Der Herr Jesus sagte einmal zu seinen Jüngern: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe." (Joh 15,15). Und er nannte die Armen seine Brüder: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40). So nannte er die Apostel auch seine Brüder in dem Wort an Maria von Magdala nach seiner Auferstehung: "... Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott." (Joh 20,17; Mt 28,10). Der Apostel Paulus sagt dazu: "Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so daß ihr euch immer noch fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: 'Abba, Vater!'" (Röm 8,15). Und Johannes der Evangelist sagt: "Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden; denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." (Joh 1,12-13). Mit dieser Vollmacht, die Gott uns verliehen hat, haben wir das Recht, ihn "unser Vater" zu nennen. Wie der Apostel Paulus sagt: "Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: 'Abba, Vater.'" Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn. Bist du aber Sohn, dann auch Erbe - Erbe durch Gott." (Gal 4,6-7; Röm 8,17). So sind wir nicht nur Söhne, sondern Erben, wie der Apostel Paulus es noch einmal ausdrückt: "Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung." (Gal 3,29). Also sind wir Erben des himmlischen, lebendigen Vaters, indem wir mit unserem Herrn Jesus Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, an diesem Erbe teilhaben.

Wir sind von Gott geboren an dem Tag, an dem wir im Namen der heiligen Dreieinigkeit getauft worden sind. Der Heilige Geist kam auf uns herab, wie er auf unseren Herrn Jesus Christus am Tag seiner Taufe durch Johannes den Täufer im Jordan herabkam. Auf uns ist das Zeugnis vom Himmel gekommen, daß wir Kinder Gottes sind, so wie es zu dem Herrn Jesus gekommen ist: Als er aus dem Wasser emporstieg, hörte man eine Stimme vom Himmel: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe." (Mt 3,17). So erlangen wir die Wiedergeburt aus Wasser und Geist gemäß den Worten Jesu zu Nikodemus: "Jesus antwortete ihm: 'Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er nicht das Reich Gottes sehen ...Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist ...'" (Joh 3,3-7).

Die Eigenschaft der Sohnschaft, die wir von Gott durch unsere geistliche Geburt erlangen, verpflichtet uns, unseren himmlischen Vater zu lieben, seinen Weisungen zu gehorchen, ihn anzubeten, uns auf ihn zu verlassen und alle unsere Hoffnungen auf ihn zu setzen. So werden wir wahrhaftige Kinder sein.

Die gleiche Eigenschaft stattet uns mit einer ungeheuren Kraft aus, so daß der Satan uns fürchtet, wenn wir Gott, unsern Vater, anrufen. Der Satan flüchtet vor uns; denn er weiß, daß wir unter dem Schutze Gottes, unseres Vaters, und seiner Fürsorge stehen. Unser Herr Jesus versprach uns: "Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden." (Luk 21,18). Wie glücklich dürfen wir sein, daß wir uns zu den Verwandten Gottes zählen dürfen. Johannes der Evangelist sagt: "Seht wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es." (1Joh 3,1).

So haben wir als Kinder Gottes das große Glück, in der Gemeinschaft mit allen Kindern Gottes in seinem Hause und in der heiligen Kirche sein zu dürfen. Wenn wir uns vom Hause Gottes entfernen, wie es der verlorene Sohn tat, so werden wir hungrig "Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen, aber niemand gab ihm davon." (Luk 15,16). So laßt uns Buße tun und zu dem Herrn, dem Erhabenen, umkehren. Der Vater erwartet uns, damit er uns den Ring des Testamentes, des Testamentes der Sohnschaft, erneut überreichen kann. Es ist eine feste Zusage, die niemals aufgehoben aber erneuert wird. Oftmals denken wir, wir haben diesen ganz besonderen Vorzug wieder verloren und fühlen uns daher wie der verlorene Sohn und sagen: "Ich bin nicht wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner." (Luk 15,19). So wird uns der Vater in seiner Barmherzigkeit umarmen und läßt es nicht zu, diesen harten Satz Wirklichkeit werden zu lassen, sondern er wird befehlen, das Mastkalb zu schlachten und uns den Ring der Besiegelung des Testamentes wiederzugeben und unsere Kindschaft zu bestätigen und ebenso seine Vaterschaft uns gegenüber, indem er sagt: "... wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden." (Luk 15,22-24). Also, wir sind auf jeden Fall seine Kinder und die Bedeutung des Wortes "Kindschaft" gilt für uns zu jeder Zeit. Sie gilt auch dann, wenn wir fern vom göttlichen Haus sind, in der Hoffnung der wahrhaftigen Buße, zu Ihm umzukehren

Wir beten "unser Vater", eine Formulierung, die im Plural ausgedrückt wird. Denn Gott ist unser aller Vater. Er ist der Vater der gesamten Menschheit und ganz besonders derer, die durch ihn aus Gnade wiedergeboren sind, wie der Herr es uns gelehrt hat. "... Ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel." (Mt 23,8.9). Als Kinder des einen Vaters ist es uns nicht erlaubt, rassistisch oder nationalistisch zu denken bzw. zu handeln oder uns irgendeiner Kaste angehörig zu fühlen. Stattdessen laßt uns miteinander in Liebe vereint sein; denn Gott ist die Liebe. Niemand rufe ihn "mein Vater", sondern "unser Vater". Also rufen wir ihn mit dem Possessivpronomen des Plurals an, denn wir sind eine Familie, und er ist ein Vater für uns alle. Der Geist der Vaterschaft stärkt die Beziehung, die zwischen den Kindern untereinander ist.

Das syrische Wort Abo (Vater), wenn es als Bezeichnung für den erhabenen Gott angewendet wird, erniedrigt nicht Gott, den Erhabenen, in seiner göttlichen Stellung, sondern es ermöglicht uns, nahe bei ihm zu sein, so daß wir uns ihm in der Eigenschaft der Kindschaft nähern. Sie macht die Liebe, die zwischen dem himmlischen Vater und uns - seinen Kindern - herrscht erhaben, bestimmt auch unseren Gehorsam und das Vertrauen unsererseits auf ihn.

2. Der du bist im Himmel

Um Gott den Vater von allen anderen Vätern zu unterscheiden, reden wir ihn mit „unseren Vater im Himmel" an.

Gott, der Erhabene, ist Geist. Niemand vermag ihn zu fassen; er ist überall, wie er sagt: "... Bin nicht ich es, der Himmel und Erde erfüllt ...?" (Jer 23,24). Seine Wohnstatt ist im Himmel, wie es in der Heiligen Schrift steht: "... Der im Himmel thront ..." (Ps 2,4). "Der Herr ist erhaben über alle Völker, seine Herrlichkeit überragt die Himmel. Wer gleicht dem Herrn, unserem Gott, im Himmel und auf Erden, ihm, der in der Höhe thront, der hinabschaut in die Tiefe." (Ps 113,4-6). "Ich erhebe meine Augen zu dir, der du hoch im Himmel thronst. (Ps 123,1).

Wir bezeichnen ihn als "unseren Vater, im Himmel", damit wir uns, fern von allen irdischen Orten, mit allen unseren Gedanken und Herzen ganz dem Himmel zuwenden. Denn wir sehnen, uns danach, mit ihm dort oben in der Höhe zu wohnen, wie der Apostel Paulus uns ermahnt, "Darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt." (Kol 3,1).

Die sieben Bitten

Die erste Bitte lautet: "Geheiligt werde dein Name" (Mt 6,9).

Die Bedeutung von "heilig" ist: Aussondern und Hervorheben. So heben wir den Namen des Herrn über alle Namen der Schöpfung empor; denn wir sagen: dieser Ort ist "heilig". Er unterscheidet sich also von allen anderen Orten. Der Name des Herrn ist heilig, weil er einzigartig ist und sich von allen Namen unterscheidet. Das Wort "Name" weist auf die Natur der Person, seine Persönlichkeit und seine Kraft. Der "Name des Herrn" - das ist der Herr selber. Das ist genau das, was der Verfasser der Psalmen meint. "Darum vertraut dir, wer deinen Namen kennt; denn du, Herr, verläßt keinen, der dich sucht." (Ps 9,11). "Die einen sind stark durch Wagen, die anderen durch Rosse; wir aber sind stark im Namen des Herrn, unseres Gottes." (Ps 20,8). Der Herr Jesus sagt in einem Zwiegespräch mit seinem Vater: "Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart ..." (Joh 17,6). So hat er seinen Jüngern aufgetragen: "Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." (Mt 28,19). So bedeutet der Name der heiligen Trinität ihre Kraft und Macht. Es ist ein Name, denn die Drei sind wesensgleich. Der Apostel Paulus sagt über den Herrn Jesus Christus: "Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu." (Phl 2,9.10). Der Herr sagte zu seinen Jüngern: "Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,20).

Die Oberen und Ältesten und Schriftgelehrten in Jerusalem fragten die Apostel:" Aus welcher Kraft oder in wessen Namen habt ihr das getan?" Petrus antwortet Ihr Oberen des Volkes und Ältesten! ... im Namen Jesus Christi des, Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch. ...Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen." (Apg 4,4-12).

Der Name des Herrn wird geheiligt im Himmel; die Engel aller Rangstufen preisen ihn immer wieder, und der Prophet Jesaja hat sie gehört: "Sie riefen einander zu: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt." (Jes 6,3). Wie der Verfasser der Psalmen sagt: "... Furchtgebietend ist sein Name und heilig." (Ps 111,9).

Indem wir beten: "Geheiligt werde dein Name", erbitten wir vom Herrn, daß er seinen heiligen Namen überall in der ganzen Welt verkündet, damit alle Völker ihn lobpreisen, auch wenn uns das Mühe und Verfolgung kostet, so wie der Herr sagt: "Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehaßt werden..." (Mt 10,22).

Das Heiligen des Namens des Erhabenen geschieht durch unsere Anbetung im Geist und in Wahrheit. Seine Verherrlichung geschieht durch unseren Mund, unsere Gedanken, unsere Herzen, und durch die Befolgung seiner göttlichen Weisungen werden wir geheiligt. Denn sein Name wird durch unsere Werke geheiligt, so wie der Herr, der Erhabene, sagt: "So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Mt 5,16).

Aber wenn wir von seinen Wegen abkommen und seinen göttlichen Weisungen nicht gehorchen, so werden wir ein Anlaß sein, daß der Namen unseres Gottes gelästert wird, wie der Apostel Paulus an die Römer schreibt: "Denn in der Schrift steht: Euretwegen wird unter den Heiden der Name Gottes gelästert." (Röm 2,24). Darum rät uns der Apostel Petrus in seinem Brief: "Führt unter den Heiden ein rechtschaffenes Leben, damit sie, die euch jetzt als Übeltäter verleumden, durch eure guten Taten zur Einsicht kommen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung". (1Pet 2,12). Er sagt weiter: "Denn es ist der Wille Gottes, daß ihr durch eure guten Taten die Unwissenheit unverständiger Menschen zum Schweigen bringt. Handelt als Freie, aber nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für das Böse nehmen, sondern wie Knechte Gottes. Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Brüder, fürchtet Gott, ehrt den Kaiser!" (1Petr 2,15 -17).

Die zweite und dritte Bitte

"Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden." (Mt 6,10.11).

Dein Reich komme: Das Ziel seiner Menschwerdung ist die Gründung des Reiches Gottes hier auf Erden, und darum nimmt dies eine zentrale Stellung in der göttlichen Lehre unseres Herrn Jesus Christus ein. So ist Johannes der Täufer gekommen, um den Weg für den Erlöser zu ebnen: "... Kehrt um! Denn das Reich ist nahe." (Mt 3,2).

Der Erlöser ist gekommen und ruft: "Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe." (Mt 4,17). Und weiter sagt er: "... Ich muß auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden." (Luk 4,43).

Das Erlangen des Reiches Gottes geschieht in zwei Etappen. Der Gläubige beschreitet die erste Etappe hier auf Erden, um sich auf den Beginn der zweiten Etappe, der himmlischen Etappe in der Ewigkeit vorzubereiten. Unser Herr gründete das Reich hier auf Erden - also seine heilige Kirche -, die die göttlichen Gaben und die Mittel zur Erlösung des Menschen von ihm erhielt. Er baute mit ihr eine heilige Gemeinschaft auf, in der der Wille des himmlischen Vaters vollendet wird.

Die Bitte, die da sagt: "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“, bedeutet, daß die heilige Kirche - also das Reich Gottes hier auf Erden - den Willen Gottes vollenden soll, wie ihn die Engel im Himmel vollenden. Gott hat uns in sein Königreich berufen, wie der Apostel Paulus sagt: "... Der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft." (1Th 2,12). Und der Herr sagt: "... Das Reich Gottes ist mitten unter euch." (Luk 17,21). Wir sind Glieder dieses Reiches geworden, das das Mysterium seines Leibes darstellt. Er ist das Haupt dieses Leibes; denn wir sind gewaschen und gereinigt mit seinem heiligen Blut; er hat uns für seine herrliche Kirche, die ohne Makel ist, auserwählt und aufgestellt.

Der Herr verglich das Himmelreich hier auf Erden mit einem Senfkorn, das kleiner ist als andere Samenkörner. Ein Mann steckte es in seinem Garten in die Erde; es wuchs und wurde zu einem Baum, und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.(Mt 13,31.32; Luk 13,19)

"Und er erzählte ihnen noch ein Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte, bis das Ganze durchsäuert war." (Mt 13,33; Luk 13,21). Er verglich weiter: "Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit dem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe; die schlechten aber warfen sie weg“ (Mt 13,47.48).

So gründete der Herr das Himmelreich auf Erden und erklärte seinen Jüngern durch Gleichnisse seine göttlichen Ziele. "Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, daß er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen." (Apg 1,3).

Wenn wir betend sprechen: "Dein Reich komme", so erbitten wir vom Herrn, daß er unsere Herzen und unsere Gedanken aufnehmen möge. Wir wünschen uns, daß wir in den Zustand der Heiligkeit versetzt werden, fern der Sünde, die uns von Gott fernhält."...Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes." (2Kor 6,16). Und der Apostel Paulus sagt weiter: "Euer Leib sei ein Tempel des Heiligen Geistes ..." (1Kor 6,19). Der Geist flieht von uns im Zustand der Sünde. Darum erbat König David vom Herrn im Psalm der Buße: "... Und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir“ (Ps 51,13). So wie die Juden es damals ablehnten, daß Jesus die Herrschaft über sie bekommt, indem sie zu Pilatus sagten: "... Wir haben keinen anderen König außer den Kaiser." (Joh 19,15). So bitten wir, daß Jesus, der König, der Herrscher unserer Seelen und Sinne wird, und daß er die Herrschaft über unsere Herzen erhält, und daß wir die Schafe seiner Herde werden.

Wenn wir von dem Herrn erbitten: "Dein Reich komme", so meinen wir die zweite Etappe des Gelangens in sein Reich, die mit der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus beginnt, der wiederkommt, um beide Welten zu richten. Durch unser Gebet drücken wir unsere Sehnsucht aus, zu dieser Wiederkunft an dem großen herrlichen Tage eingeladen zu werden, wenn der Herr Jesus in der Herrlichkeit seines Vaters und mit seinen heiligen Engeln erscheint, und die Gerechten und Rechtschaffenen werden mit ihm im ewigen Himmelreich herrschen. Das meinte unser Herr mit seinem Wort an Pilatus: "... Mein Königtum ist nicht von dieser Welt ..." (Joh 18,36).

Als der Herr gen Himmel fuhr, standen zwei Engel vor den Jüngern und sagten: "... Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen." (Apg 1,11).

Das ist der Trost der Jünger des Herrn, daß der Herr wiederkommt. "... Dann wird der kommen, der kommen soll, und er bleibt nicht aus." (Heb 10,37). Darum begrüßten am Anfang die Gläubigen einander mit dem Gruß der Christenheit in den syrischen Worten: "... Mara natha - Unser Herr, komm“ (1Kor 16,22). Bis auf den heutigen Tag erwartet die Kirche der Welt, daß unser Herr Jesus Christus auf den Wolken wieder erscheint. "Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen, und sie werden den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen" (Mt 24,30; Mk 13,26; Luk 21,27) und er wird die Toten auferwecken. "Dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein", wie der Apostel Paulus sagt. (1Th 4,17).

Das ist es, was den Lieblingsjünger Johannes in seinem 1. Kapitel der Offenbarung bewog zu schreiben: "Siehe, er kommt mit den Wolken, jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben. Und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen ..." (Off 1,7). Er beendet seine Offenbarung mit der Sehnsucht nach der Wiederkunft Christi: "... Komm, Herr Jesus!"(Off 22,20),. als wenn er sagte: "Dein Reich komme", damit die Rechtschaffenen ihren Lohn bekommen, daß der Herr sie mit den Worten in sein Reich ruft: "... Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist." (Mt 25,34). Sie haben gesiegt, und sie werden die Krone erlangen. Die Krone der Herrlichkeit, die der Herr den Siegern vorbehalten hat, denen, die die Merkmale des Himmelreiches auf Erden bewahrt haben und deshalb wert waren, in das Himmelreich hineinzukommen.

Bewahren wir diese Eigenschaften und halten an den Gesetzen des Reiches Gottes im Glauben und mit den Werken der Rechtschaffenheit und mit dem Bringen guter Früchte fest, die der wahren Buße würdig sind!?. Die Juden wichen damals von der Wahrheit ab. Jesus sagte dazu: "Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt." (Mt 21,43). Wir sollten achtgeben, daß das Reich Gottes nicht auch uns weggenommen wird.

Der Herr hat uns geraten, daß wir wachsam bleiben und auf seine Wiederkunft warten. Denn wir wissen nicht, wann er wiederkommt. Aber er kommt! Der Prophet Amos sagt: "... Mach dich bereit, deinem Gott gegenüberzutreten." (Am 4,12). Sind wir denn vorbereitet?

Wie schön ist es, wenn wir unsere Bitte: "Dein Reich komme" mit der Bitte des Räubers, der zu Jesu Rechten gekreuzigt worden war und Buße tat, verbinden: "... Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ (Luk 23,42).

Wir sollten unsere Herzen und unsere Sinne prüfen, ob wir auf die Begegnung mit unserem Gott vorbereitet sind. Der Herr sagt: "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt." (Mt 7,21). Darum verbinden wir die Bitte "Dein Reich komme" mit der Bitte,

2 "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden".

Einer sagte, das Gebet ist nicht der Versuch, den Willen Gottes unseren Wünschen gefügig zu machen, sondern es ist immer ein Versuch, unseren Willen dem Willen Gottes gefügig zu machen.

Gott, der Erhabene, kennt die Geheimnisse unserer Herzen. Er prüft uns auf Herz und Nieren. "Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren ..." (Jer 17,10). Er erforscht unser Leben; sein Wissen und seine Kenntnis haben keine Grenzen. Er weiß, was uns zum Besten dient; er ist weise und liebend; er weiß, was uns glücklich macht. Darum bitten wir ihn, daß sein Wille und nicht unser Wille in allen unseren Angelegenheiten, die uns betreffen, geschieht. Obwohl er uns die absolute Handlungsfreiheit für alle unsere Taten in unserem Leben geschenkt hat, erbitten wir, daß diese Freiheit dennochin der Bewahrung seiner göttlichen Weisungen gebunden bleibt, damit sein Wille geschieht in allen unseren Handlungen.

Unsere Bitte "Dein Wille geschehe" resultiert aus der Erkenntnis und dem Vertrauen der Liebe Gottes uns gegenüber. "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat." (Joh 3,16). "Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren." (Röm 5,8).

Wenn der Wille des Erhabenen über die Erde herrscht, dann herrscht auch Frieden und Gerechtigkeit, und die Sünde wird ausgerottet.

Wir können unmöglich den Willen Gottes vollenden, wenn wir ihn nicht kennen. Der einzige Weg zu dieser Erkenntnis ist das fortwährende Studium der Heiligen Schrift. Der Verfasser der Psalmen bittet den Herrn und sagt: "... Gib mir Einsicht, damit ich deine Gebote lerne." (Ps 119,73). "... Und lehre mich deine Entscheide!" (Ps 119, 108). "Laß dein Angesicht leuchten über deinen Knecht und lehre mich deine Gesetze!" (Ps 119,135). Der Apostel Paulus rät uns: "Darum seid nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist." (Eph 5,17).

Häufig ist es so, daß die Begierde des Leibes über uns herrscht, wie der Apostel Paulus sagt: "Ich weiß, daß in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt ..." (Röm 7,18). Wir wünschen, das Gute zu tun, aber wir tun oft das Böse, das wir hassen und nicht zu tun wünschen. In unserer Bitte an Gott, in der wir sprechen: "Dein Wille geschehe", wünschen wir, daß der Wille Gottes vollendet wird - nicht der Wille des Leibes, daß wir das Gute tun in der Kraft Gottes, die sichtbar wird in unserer Schwachheit.

Das beste Beispiel für uns ist unser Herr Jesus Christus: "...Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz". (Phl 2,8) Nachdem er seinen Willen in die Hände des himmlischen Vaters gelegt hatte, sagte er im Garten Gethsemane: "... Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen." (Luk 22,42). So als wenn wir "...- nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren - sind." (Joh 1,13), damit wir nach dem Willen des Erhabenen leben, in dessen Hände wir unseren Willen legen und uns selber verleugnen und alles zu opfern bereit sind, was uns lieb und teuer ist und ganz besonders die Freiheit unseres Willens, um sein Kreuz zu tragen, ihm nachzufolgen, wie er es uns geboten hat: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Mt 16,24). Die erste Bedingung an die Jünger Jesu war, der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Die zweite Bedingung ist das Ertragen von Leiden ohne zu klagen,so daß wir mit dem Rechtschaffenen Hiob sagen können: "... Der Herr hat gegeben; der Herr hat genommen; gelobt sei der Name des Herrn." (Hi 1,21).

Indem wir den Willen Gottes erfüllen und uns selber in seine Hände begeben und unsere Bitte äußern: "Dein Wille geschehe", werden die Zeichen der Verbundenheit zwischen uns und ihm verstärkt. So wie der Herr Jesus es uns versprochen hat, indem er sagte: "Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters im Himmel erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter." (Mt 12,50). Wir sollen den Willen Gottes anerkennen, ihm mit Freude und Liebe aus völliger Freiheit heraus vertrauen, daß Gott uns liebhat und für uns sorgt, daß er gerecht, heilig und barmherzig im Umgang mit uns ist. Denn: "Sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden".

Die vierte Bitte

"Gib uns heute das Brot, das wir brauchen." (Mt 6,11).

Die unmittelbare Bedeutung dieser Bitte ist: Das Bitten um die tägliche Speise für den Leib; denn Gott, der Erhabene, ist unser Ernährer und Versorger. Darum erbitten wir von ihm Segen für das irdische Leben. Unter Brot verstehen wir alles, was Essen und Trinken und die Befriedigung anderer Bedürfnisse des Leibes einschließt. Im Evangelium des Lukas lesen wir: "Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Brotessen kam, beobachtete man ihn genau." (Luk 14,1). Das Wort "Brot" beinhaltet alles, was mit Nahrung zusammenhängt. Der Verfasser der Psalmen sagt in seinem Gebet: "Gott, aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit." (Ps 145,15). "Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit." (Ps 104,27.28).

"Unser tägliches Brot gib uns heute",

dieses Gebet wird an den Gott der Reichen und der Armen gerichtet. Die Armen erbitten von ihm, daß ihr täglicher Bedarf an Nahrung gedeckt werden möge. Die Reichen erbitten auch vom Herrn das tägliche Brot, obwohl sie im Überfluß leben. Sie drücken in dieser Bitte ihren Dank dafür aus, daß Gott sie mit Nahrung überreichlich gesegnet hat, aber sie demütigen sich auch vor ihm. Der Apostel Paulus sagt: "Ermahne die, die in dieser Welt reich sind, nicht überheblich zu werden und ihre Hoffnung nicht ganz auf den unsicheren Reichtum zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich gibt, was wir brauchen.“ (1Ti 6,17). Dem Reichen wird mit dieser Bitte eine Lehre erteilt. Er soll nämlich den Willen Gottes erfüllen und seinem armen Bruder helfen. Das drückt sich ganz besonders in der absichtlich so gewählten Formulierung wie: "Gib uns ...", und nicht: "Gib mir ...", aus. Es ist ein Zeichen der Fürsorge für alle - nicht nur für eine ganz bestimmte Person. Es ist das Sich-Mühen um das Wohl des Nächsten. Er (der Reiche). läßt die Armen an dem Segen teilhaben, den er von Gott empfangen hat.

Johannes Chrysostomos sagt: "Wir erbitten nicht nur, daß uns Nahrung gegeben wird, sondern daß Gott in dem täglichen Brot die Kraft der Erneuerung, des Friedens und der Erlösung wirken läßt, damit der Leib von dieser Nahrung erneut gestärkt wird und der Leib der Seele dient." Das Wort "Brot" bedeutet hier alles, was der Mensch zum täglichen Leben auf Erden benötigt. Ja, es schließt sogar die Gesundheit ein, die durch die tägliche Aufnahme von Speise den Leib stärkt und gesund erhält. Es kann durchaus der Fall eintreten, dass wir ausreichend Nahrung haben, aber aus gesundheitlichen Gründen, unter denen unser Körper leidet, trotzdem nichts zu uns nehmen können.

Wir erbitten nicht das leibliche Wohl, sondern wir wollen lediglich den Grundbedarf zum bloßen Überleben decken, um Gott zu lobpreisen. Der Apostel Paulus rät uns folgendes: "Ob ihr also eßt oder trinkt, oder etwas anderes tut: Tut alles zur Verherrlichung Gottes!" (1Kor 10,31).

Bevor der Mensch der Sünde verfiel, lebte er von den reichlichen Früchten des Paradieses. Und als er abfiel, wurde die Erde seinetwegen verflucht. Er wurde verurteilt, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen. (Gen 3,19). Wie oft hat der Mensch den Acker gepflügt, gejätet, gegossen und Samen ausgebracht und konnte auf grund von Naturkatastrophen oder Ungeziefer nicht ernten? So ist es die Pflicht des Menschen, fleißig zu sein, auf den Herrn zu vertrauen und zu ihm zu beten, um von ihm das tägliche Brot zu erhalten. "So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt." (1Kor 3,7).

So sorgt sich der Herr um unsere Leiber, wie er sich um unsere Seelen sorgt, und er weiß um unsere Bedürfnisse, bevor wir ihn darum bitten. Hatte er denn nicht das Brot in der Wüste vermehrt, als er Tausende von Menschen zweimal sättigte? Zur gleichen Zeit befahl Jesus ihnen: "Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird. Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Segen beglaubigt." (Joh 6,27). Und Jesus sagt weiter: "Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, daß ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, daß ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“ (Mt 6,25-27).

Die Sorgen um die Bedürfnisse des Leibes sind nicht nur etwas, was erlaubt ist, sondern auch, etwas, was eine auferlegte Pflicht für jeden Menschen ist. Der Fleiß ist eine Tugend; die Faulheit aber ist verwerflich. "Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewußt, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis ..." (Mt 25,26). Wenn aber die Sorge um die täglichen Dinge eine Qualität erreicht hat, die nur noch aus Habgier, Neid und Mißgunst besteht, wenn uns Zweifel kommen, der Herr sorge nicht mehr für uns, wenn uns eine gewisse Unruhe befällt und unser Vertrauen zu Gott, dem Erhabenen, schwindet, dann ist dafür ein zu geringer Glaube die Ursache.Salomo drückt diese umfassende Fürsorge Gottes in seinen Sprüchen so aus: "Falschheit und Lügenwort halte fern von mir; gib mir weder Armut noch Reichtum, nähre mich mit dem Brot, das mir nötig ist." (Spr 30,8) In einer anderen Stelle steht geschrieben: "Der Lohn für Demut und Gottesfurcht ist Reichtum". Diese Formulierung wird in diesem Satz zusammengefaßt: "Unser tägliches Brot gib uns heute."
Das tägliche Brot ist das, was wir verdient haben. Wir haben es uns im Schweiße unseres Angesichtes erarbeitet. So ist dies Brot gerecht, wenn wir es nicht irgend jemand entrissen oder es uns ungesetzlich angeeignet haben. Und unser „tägliches” Brot- also das, was wir täglich benötigen - läßt die Tugend der Bescheidenheit sichtbar werden. Der Apostel Paulus sagt: "Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen; wenn wir Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen.” (1Ti 6,7.8). Gott kümmert sich um jeden Menschen; “... denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.” (Mt 5,45).

Wenn wir ihn bitten, so gibt er uns das tägliche Brot. Wir bestätigen Gottes Vermächtnis an uns, wenn er sagt: “Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.” (Mt 6, 34). Also sorgt euch nicht um die Zukunft; denn Gott sorgt sich um euch. Hat er nicht für das Volk des Alten Testamentes gesorgt und gab ihm in der Wüste Tag für Tag das Manna, und wenn einer das Manna aufbewahrte für den nächstfolgenden Tag, so fand er es verdorben.

Das geistliche Brot

Einige Väter verstehen unter dem Wort "Brot", wie es im Gebet des Herrn erwähnt wird, nicht nur das, was wir benötigen, um unseren Leib stark und am Leben zu erhalten und ihn wachsen zu lassen, sondern alles, was wir an Gaben - geistlichen Gaben - vom Herrn empfangen, um das geistliche Leben lebendig zu erhalten, damit die Seele erlöst und das ewige Leben erlangt, damit die guten Gaben auch in uns wachsen.

Mit unserer Bitte um "unser tägliches Brot" bitten wir um das geistliche Brot, das Jesus Christus, unser Herr, selbst ist, indem wir durch ihn geistliche Nahrung erhalten. Wir verlangen nach dieser geistlichen Nahrung jeden Tag. So hat der Herr über sich selber gesagt: "Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist." (Joh 6,41). Er sagte auch: "Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm." (Joh 6,56). Weiter sagte er zu seinen Jüngern: "... Nehmt, eßt; das ist mein Leib.“ (Mt 26,26). So wie der Leib sich vom sichtbaren Brot ernährt, so ernährt sich der Geist von dem lebendigen Brot, das die heilige Eucharistie ist. Der Herr sagte in der Offenbarung: "... Wer siegt, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben..." (Off 2,17). Einige legen das Wort "Brot" so aus: das ist das Wort Gottes, das uns durch die Heiligeschrift offenbart wird. Darum hat der Gläubige ständig die Heilige Schrift zu lesen, damit das Wort Gottes für ihn zu einer geistlichen Speise wird.

Die fünfte Bitte

"Und erlaß uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben".
(Mt 6,12).

Die Sünde ist ein Zustand des Verderblichen Willens der Menschen. Sie wird auch beschrieben als Übertretung der Gebote Gottes. Der Apostel Johannes beschreibt das so: "Jeder, der die Sünde tut, handelt gesetzwidrig; denn Sünde ist Gesetzwidrigkeit." (1Joh 3,4). Das ist so, als wenn wir sagen, der Pfeil hat sein Ziel verfehlt - also hat er nicht getroffen. Er hat ein nicht beabsichtigtes Ziel getroffen, das außerhalb des vorher bestimmten liegt. Ebenso gilt das für jeden, der sündigt und die Gebote Gottes übertritt; denn auch er befindet sich außerhalb dieser Gebote. Das Wesen der Sünde ist der Widerstand gegen Gott, die Weigerung, ihm zu gehorchen, seine Gebote einzuhalten und seine Warnungen zu berücksichtigen. Die syrische Vokabel für Sünde ist "Haubo". Sie bedeutet Gericht, aber auch Schuld. Mit Schuld wird auch die Nichterfüllung der Pflicht bezeichnet. Also sündigen wir, wenn wir unsere Pflicht gegenüber Gott nicht erfüllen. Wir tun nicht das, was Gott von uns verlangt. Sünde bedeutet demzufolge nicht nur, das Böse zu tun, sondern auch, das Gute zu unterlassen.

Sie ist also nicht nur die Vermeidung des Boshaften, sondern auch die Unterlassung des Guten. So wenn das Gesetz des Alten Testamentes die Forderung zur Vermeidung des Bösen war, so ist das Gesetz des Neuen Testamentes die Aufforderung zum tun des Guten.

Der Herr wünscht, daß wir mittels der fünften Bitte unsere Herzen prüfen, und uns vor ihm als Sünder bekennen. Wenn wir auch durch das Blut Christi, unseres Erlösers, gerechtfertigt worden sind, so sind wir dennoch nicht frei davon, zu sündigen - also immer wieder der Sünde zu verfallen -, solange wir unseren menschlichen Leib besitzen. In der Heiligen Schrift lesen wir dazu: "Es gibt niemand, der nicht sündigt." (1 Kön. 8,46). Damit wir Gott die Ehre geben, haben wir unsere Sünden zu bekennen, wie der Zöllner es getan und voller Ehrfurcht vor Gott gestanden hat, indem er sich an seine Brust schlug und sagte: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Luk 18,13). Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück.

Gott, der Herr, möchte nicht den Tod der Sünder, sondern daß jeder Sünder Buße tut, um zu leben. Darum gab er uns die Möglichkeit der Buße und versprach uns, jeden von uns aufzunehmen, der zu ihm bußfertig zurückkehrt. Es müssen der Buße unbedingt die Reue und das Versprechen, sich nicht mehr der Sünde hinzugeben, vorauseilen. Der Sinneswandel ist dann der Beweis für eine wahrhaftige Reue und ein Zeichen dafür, daß Gott den Sünder angenommen und ihm die Vergebung geschenkt hat. Im Gebet des Herrn, in dem wir von unserem himmlischen Vater die Vergebung erbitten, versichern wir gleichzeitig, daß wir seine Gebote erfüllt und vergeben haben, die uns gegenüber sündigten - egal, welcher Art ihre Sünden auch waren. Die fünfte Bitte enthält eine Bedingung. Darum verlangt der Herr, daß diese Bedingung unbedingt erfüllt werden muß. Nachdem der Herr mit dem Sprechen des Gebetes geendet hatte, sagte er: "Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben." (Mt 6,14.15). Wenn der Herr, der Mächtige und Erhabene, uns unsere Sünden vergibt, um wieviel mehr sollten wir einander die Sünden und unsere Verfehlungen vergeben. Der Herr hat uns geboten, daß wir einander lieben - ja sogar unsere Feinde lieben. "... Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen." (Mt 5,44.45). Die Liebe führt uns zur Vergebung. Der Herr sagte zu uns: "Und wenn ihr beten wollt und ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergibt.“ (Mk 11,25) Jesus war für uns ein Vorbild, als er am Kreuz seinen Vater bat, er (Gott) möge denen, die ihm Kreuzigten vergeben: "... Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Luk 23,34). Stephanus der erste der Märtyrer, nahm sich Jesus zum Vorbild und bat um Vergebung für die, die ihn Steinigten, indem er sagte: "... Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an ..." (Apg 7,60).. Und als Petrus einmal den Herrn fragte: "... wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?, da sagte Jesus zu ihm: Nicht siebenmal, sondern sieben und siebzigmal." (Mt 18,21.22). Und Jesus erzählt danach diese Geschichte: "Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloß, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da fiel der Diener vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld. Als nun der Diener hinausging, traf er einen anderen Diener seines Herrn, der ihm hundert Denare schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und rief: Bezahl, was du mir schuldig bist! Da fiel der andere vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die übrigen Diener das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich so angefleht hast. Hättest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem Dienst steht, Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinen Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.“ (Mt 18,23-35).

Wir bitten also den Herrn, er möge uns unsere Schuld vergeben. Durch die Vergebung, die wir anderen zuteil werden lassen, die uns gegenüber gesündigt haben, befreien wir unsere eigene Seele von den Lasten des Zorns und der Wut, die die sie bedrücken. Denn eine Sünde, sei sie auch noch so klein, betrübt unser geistliches Leben. Nein, sie stellt uns sogar in der Reihe der Sünder, die Verfehlungen begangen haben, und sie löscht das heilige Feuer in unseren Herzen aus. "Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt." (Jak 2,10). Darum ermahnt uns der Apostel Paulus mit diesen Worten: "Laßt euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. Gebt dem Teufel keinen Raum! Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann. Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat.“ (Eph 4,26-28.32).

Die sechste und siebente Bitte

"Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen." (Mt 6,13)

1. "Führe uns nicht in Versuchung."

Nachdem wir von Gott die Vergebung unserer bereits begangene Schuld erbeten haben, bitten wir ihm nun darum, uns von den Ursachen fernzuhalten, die zur Sünde führen. Während die Versuchung eine Prüfung ist, ist das Nichtbestehen dieser Prüfung ein Fallen in die Sünde. Der uns versucht, ist Satan. Der Apostel Petrus sagt: "Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann." (1Ptr 5,8). Der Apostel Paulus sagt dazu: "Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs." (Eph 6,12). Diese bösen Mächte - die Mächte des Teufels -, die mit uns kämpfen, sind die Feinde Gottes. Sie sind die zerstörerischen Kräfte, die zu einem Symbol geworden sind für jedes Gebot gegen Gott und gegen die Menschen, die Gott lieben. So ist es unsere Aufgabe, sie zu bekämpfen, damit wir auf dem Wege zu Gott bleiben. Der Kampf gegen sie geschieht mit der Waffe des Gebetes und des Fastens, wie der Herr es uns geboten hat: "Diese Art von Dämonen kann aber nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden". (Math 17:21).

Wir alle sind ein Gegenstand der Versuchung und ganz besonders dann, wenn wir die Vergebung der Sünden erfahren haben. Denn dann verstärkt sich erneut die Gefahr, daß wir wieder der Sünde verfallen können. Darum sagt der Apostel Paulus: "Wer also zu stehen meint, der gebe acht, daß er nicht fällt!" (1Kor 10,12). Der Herr weist uns auf die Listen des Teufels sowie auf seine Kampftaktik hin, indem er sagt : "Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher. Diesem bösen Geschlecht wird es genauso ergehen." (Mt 12,43-45).

Sehr oft war die Versuchung nützlich. Sie zeigt den Widerstand der Väter und die sich aus diesem Widerstand ergenden Lehren auf. Darum sagt der Apostel Paulus: "Und wer an einem Wettkampf teilnimmt, erhält den Siegeskranz ..." (2Ti 2,5). Der Apostel Jakobus sagt zum gleichen Thema: "Glücklich der Mann, der in der Versuchung standhält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben." (Jak 1,12). Jakobus sagte auch: "Seid voll Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet." (Jak 1,2). Unser Herr Jesus Christus offenbarte: "Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehaßt werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet." (Mt 10,22).

Unser Leben ist auf dieser Erde ein ständiger Kampf. "Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde?..." (Hi 7,1). Der Herr Jesus hat uns geraten, dass wir von seinem Vater erbitten, daß er uns nicht in die Versuchung führt; denn Gott weiß, daß unsere Natur schwach ist. "... Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." (Mt 26,41). Der Herr kennt unsere Schwachheit gegenüber der Sünde und weiß, wie leicht wir ihr immer wieder verfallen. Daher ermahnte er Simon und sprach zu ihm: "Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder." (Luk 22,31-32). Dieser Simon, der zu sich selber mehr Vertrauen hatte als unbedingt nötig, sagte zum Herrn: "Und wenn ich mit dir sterben müßte - ich werde dich nie verleugnen ..." (Mt 26,35). Er (Simon) wurde versucht und ist der Sünde verfallen, denn er hat den Herrn dreimal verleugnet vor einer unbedeutenden Magd. Wenn er nicht bitterlich geweint und seine Reue gezeigt hätte, hätte ihn dasselbe Schicksal ereilt wie Judas, den Verräter.

Es ist richtig, was der Apostel Paulus schreibt, als er die Gläubigen aufforderte, den Satan zu widerstehen: "Der Gott des Friedens wird Satan bald zertreten und unter eure Füße legen ..." (Röm 16,20). Der Apostel Paulus kennt die List des Teufels. Er schreibt an die Thessalonicher: "Ja, wir hatten uns fest vorgenommenem, zu euch zu kommen, und das wollte ich, Paulus, schon einige Male; aber der Satan hat uns daran gehindert." (1Th 2,18).

Und Satan - unser Feind - versteckt sich und zeigt sich nicht offen vor uns, wie er auch damals unsere Urväter in Versuchung führte. Vielleicht kommt er zu uns wie ein Freund - im Bild eines Freundes oder eines Ratgebers oder eines Liebenden. Aus diesem Grunde sollen wir ihn meiden. Darum sollen wir auch die Gründe, die zur Sünde sowie zu Satan überhaupt führen, meiden. So wie der Herr uns geboten hat: "Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle kommt." (Mt 5,29.30; Mk 9, 47). Der Verfasser des Psalmes rät uns, nicht Gemeinschaft zu haben mit den Menschen, die Böses im Sinn haben: "Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht. Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen." (Ps 1,1-3).

Der Herr Jesus Christus ist uns ein Vorbild, den Satan zu überwinden. So hat ihn der Geist mit dessen Einverständnis und Erlaubnis in die Wüste geführt. Er wurde vom Satan versucht, nachdem er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte und hungrig war. Jesus besiegte den listigen Teufel, damit er uns mit dem von ihm errungenen Sieg beschenken konnte. Der Herr sprach zum Teufel in der dritten Versuchung so wie er mit einer Person redet:
"... Weg mit dir, Satan ..." (Mt 4,10). Der Prediger Lukas sagt: "Nach diesen Versuchen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab." (Luk 4,13). So ist der Satan eine geistliche Person, die ihre Ziele mit allen ihr zu Gebote stehenden Listen verfolgt. Es ist ihre Ziel, den Menschen in die Verderbnis zu stürzen. Der Herr Jesus sagt über ihn: "Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge." (Joh 8,44). Aber der Herr Jesus hat ihn besiegt und uns mit dem Sieg über ihn beschenkt. Es ist unumstritten wahr, wenn der Herr sagt: "... Aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt ..." (Joh 16,33). Der Apostel Johannes sagt: "... Der Sohn aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören." (1Joh 3,8). Am Kreuz vollendete der Herr den Sieg über den Feind der Menschheit; er hat den Kopf des Teufels zertreten. Unter dem Zeichen des Kreuzes zerstörte er seine Kräfte, zerbrach ihm das Rückgrat und beraubte ihn seiner Giftzähne und Krallen. Er hat uns das Kreuz als Waffe, die unbesiegbar ist, gegeben, um unseren unsichtbaren Feind zu bekämpfen. Wir werden mit ihm, mit Jesus Christus, der für uns gestorben ist, siegen Mit dieser Waffe hat er uns vom Teufel erlöst. Aber der Satan, der von Jesus Christus für eine gewisse Zeit abließ kehrte zurück, um diese schicksalhafte Schlacht - die Schlacht des Kreuzes - zu schlagen, und er ist immer noch gegenwärtig und versucht die Anhänger von Jesus Christus in Versuchung zu führen. Darum sollen wir uns immer in der Nähe Jesu Christi aufhalten, damit wir des Sieges über den Feind Jesu Christi und damit auch des Feindes über uns stets ganz sicher sein können. Wir sollten wachsam und betend bleiben, wie der Herr es uns geraten hat: "Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet." (Mt 26,41). In der Wachsamkeit und im Gebet werden unsere Beziehung zum Herrn Jesus Christus und damit der Sieg über unseren unsichtbaren Widersacher aufrechterhalten. "Wer siegt, wird ebenso mit weißen Gewändern bekleidet werden. Nie werde ich seinen Namen aus dem Buch des Lebens streichen, sondern ich werde mich vor meinem Vater und vor seinen Engeln zu ihm bekennen.“ (Off 3,5). "Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie ich auch gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinem Thron gesetzt habe." (Off 3,21).

2. "... sondern erlöse uns von dem Bösen".

Diese Bitte ist eine Ergänzung der vorhergehenden Bitte. Denn unsere Erlösung von dem Bösen ist wie unsere Erlösung von der Versuchung und umgekehrt. Der Herr bat seinen himmlischen Vater für uns und sagte: "Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst." (Joh, 17,15). Dieser Böse ist der Teufel. Seine Gefährlichkeit wird in der Vielfalt seiner Listen sichtbar. So verbirgt er sich, wie er es im Paradies tat, als er unsere Urahnen in Versuchung führte, oder er erscheint in vielerlei Gestalten, so daß der Apostel Paulus über ihn sagt: "Kein Wunder, denn auch der Satan tarnt sich als Engel des Lichts." (2Kor 11,14). Wie gefährlich ist der Feind, der sich verbirgt. Der Apostel Paulus rät uns und sagt: "Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt." (Eph 6,11). Solange wir die Rüstung Gottes anziehen, fürchten wir den Teufel nicht; denn Gott umgibt uns mit seiner Fürsorge und hält seinen Blick über uns. Er hat uns versprochen: "Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennige? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt." (Mt 10,29.30; Luk 12,7). Wie glücklich ist der Gläubige, der fühlte, daß Gott ihn mit seiner Fürsorge umgibt. So wie David dies empfand, als er den Psalm 23 sang: "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht." (Ps 23,1-4). Gott ist unser Hirte, und er ist mit uns. "... Ist Gott mit uns, wer ist dann gegen uns?" (Röm 8,31). Er hat im Hinblick auf uns seinen Namen bekannt gegeben: Immanuel, das bedeutet: "Gott ist mit uns". Darum müssen wir auch mit ihm sein, und der Teufel wird vor uns fliehen.

Schluß

"Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen"

Dieser Schluß faßt das Gebet des Herrn zusammen. Denn am Anfang beten wir: dein Reich komme. Jetzt verkünden wir, daß das Königreich sein ist. Es gibt keinen Zweifel daran; denn seine Herrschaft ist auf Erden und im Himmel und umfaßt alle geistlichen und irdischen Geschöpfe. Wir bekennen in diesem Schluß, daß Gott, der Erhabene, die Kraft ist. Er ist die Kraft; denn seine Weisungen werden ausgeführt. Er ist der Anfang und das Ende. Darum bitten wir auch in unserem Gebet, daß sein Wille geschehe und nicht etwa unser Wille oder der Wille irgendeines Geschöpfes - gleichgültig, welche Stellung es auch einnehmen mag.

Weil bei Gott das Reich und die Kraft ist, so ist bei ihm auch die Herrlichkeit über alles. Es sollen ihn alle Geschöpfe lobpreisen, verherrlichen, seinen Namen verehren und seinen göttlichen Namen heiligen, wie wir es im Gebet des Herrn beten.

Das Reich gehört Gott, unserem Schöpfer, und wir sind das Werk seiner Hände, wir sind seine Knechte und auch seine Kinder, durch seine göttliche Gnade, und die Schafe seiner Herde.

Die Kraft ist unserem Gott gegeben; denn er herrscht über beide Welten; er hat uns die Kraft und die Herrschaft über den Teufel - seinen Feind und unseren Feind - durch Jesus Christus gegeben. Darum gilt, was die siebzig Jünger zu ihm sagten: "... Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen. Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, daß euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind." (Luk 10, 17-20). Das Reich unseres Gottes ist beständig bis in alle Ewigkeit"... Und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen." (Mt 16,18). „Verherrlicht sei sein heiliger Name, wie im Himmel, so auf Erden"... Und seine Herrschaft wird kein Ende haben." (Luk 1,33). Denn sein Reich hat keinen Anfang und kein Ende.

Das bedeutet: So soll es sein. Es bedeutet auch: Wahr ist es. "Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Darum rufen wir durch ihn zu Gottes Lobpreis auch das Amen." (2Kor 1,20). Wenn wir das Gebet des Herrn beschließen, wie jedes andere Gebet, so wollen wir sagen: "Der Herr möge unser Gebet annehmen. Amen."

Quelle: http://syrisch-orthodox.org/index.php/artikel/467-das-gebet-des-herrn-jesus-christus

 

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